VWT-Jahresumfrage 2024 "Berufsausbildung in Thüringen"
Die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Thüringens präsentierten heute den Medien die Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Berufsausbildung in Thüringen
„Der Ausbildungsmarkt ist härter geworden. Angesichts der demografischen Entwicklung gibt es weniger Auszubildende. Personalverantwortliche erleben, dass sie wenig oder keine Bewerbungen auf Ausschreibungen erhalten. Nahezu alle Betriebe engagieren sich heute deutlich stärker, geeignete Auszubildende zu finden und gehen neue Wege,“ sagte VWT-Präsident Hartmut Koch. Die eigene duale Berufsausbildung sei für viele Mitgliedsunternehmen essentiell, um dem Fachkräftebedarf entgegenzutreten. Drei Viertel der befragten Unternehmen habe Ausbildungsplätze für das Ausbildungsjahr 2023 angeboten, so Koch weiter (Abb. 13). Knapp 44 Prozent konnten diese Ausbildungsplätze komplett oder teilweise besetzen. Knapp 13 Prozent hatten keinen Erfolg bei der Stellenbesetzung. Ausbildungsplätze blieben vorrangig frei, wegen zu wenigen Bewerbern oder weil sie nicht geeignet waren (Abb. 14).
„Die Unternehmen versuchen neue Bewerbergruppen zu gewinnen und wenden sich vorrangig an Studienabbrecher, junge Frauen und Abiturienten (Abb. 27). Um die Chancen zu erhöhen, geeignete Auszubildende zu finden, gestalten die Firmen die Ausbildung attraktiver. Genannt werden Wohnraumangebote, zusätzliche finanzielle Anreize sowie Gesundheits- und Weiterbildungsangebote“, so der Präsident.
Auffällig sei, so Koch, dass Schulabgänger häufig nachqualifiziert werden müssen. Die größten Probleme von Schulabgängern sehen mehr als die Hälfte der Befragten in Schwierigkeiten in MINT-Fächern und in persönlichen Kompetenzen wie Zuverlässigkeit, mangelnde kommunikative und soziale Fähigkeiten (Abb. 23). 40 Prozent bemängeln die klassischen Fähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen. Auch Interesse, Teamfähigkeit, Motivation, Ehrgeiz, technisches Verständnis, Allgemeinwissen und Ausdauer werden kritisiert. „Zusammenfassend schätzt die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (91 Prozent) den Aufwand um Schulabgänger zu gewinnen und schulische Defizite auszugleichen (70 Prozent) sehr hoch ein (Abb. 24). Dennoch gehört das Nachqualifizieren seit einigen Jahren zum Alltag in der Berufsausbildung der Firmen“, sagte Hartmut Koch (Abb. 25).
„Zur Sicherung des Ausbildungserfolgs setzen 91 Prozent auf strukturierte Einarbeitung, Lernpatenschaften (82 Prozent) und regelmäßige Feedbackgespräche (78 Prozent) (Abb. 31). Seitens der Azubis stehen bei der Entscheidung für einen Betrieb die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (76 Prozent), Vielfalt und Abwechslung (76 Prozent), ein hohes Einkommen (69 Prozent) und unterstützende Führung (60 Prozent) ganz oben auf der Agenda (Abb. 30). Über 90 Prozent der Unternehmen unterstützen die Berufsorientierung aktiv mit Schülerpraktika, gefolgt von Schnuppertagen, Tagen der offenen Tür, Berufs- und Ausbildungsmessen sowie Kooperationen mit Schulen (Abb. 22). Um die Berufsorientierung zu verbessern, bedarf aus Sicht der Unternehmen einiger Aktivitäten (Abb. 34). Dazu muss in die Kooperation zwischen Betrieben und Berufsschulen intensiviert werden (80 Prozent) und die Bekanntheit der Ausbildungsbetriebe (74,5 Prozent) und -berufe erhöht werden. Die Ausstattung der Berufsschulen (69 Prozent), weite Wege, mangelnde Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie der Zustand digitaler vernetzter Infrastruktur sind ebenfalls relevant“, machte Koch deutlich.
Einordnend sagte der VWT-Präsident: „Die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, dass die Startchancen auf dem Thüringer Ausbildungsmarkt nie so gut waren wie jetzt. Auf 100 Ausbildungsstellen kommen aktuell 57 Bewerberinnen und Bewerber. Es kann zwischen knapp zwei Ausbildungsstellen gewählt werden. Für die Thüringer Firmen ist die Suche nach geeigneten Auszubildenden deutlich aufwendiger. Stichwort: neue Bewerbergruppen finden und Azubis nachqualifizieren. Es gilt weitere Potenziale am Ausbildungsmarkt zu erschließen: So waren 2023 in Thüringen 6.311 Jugendliche arbeitslos und davon dreiviertel (ca. 4.000) ohne Abschluss. Mehr als 60 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen erhalten Bürgergeld und ein Zehntel der Jugendlichen in Thüringen verlassen die Schule ohne Abschluss. Dieses Potential muss gehoben werden.“
Steffi Henkel, Personalleiterin von der Firma Paatz Viernau aus Steinbach-Hallenberg, berichtete von einem neuen Ausbildungskonzept, auf dessen Basis die Firma noch genauer auf die potenziellen Azubis eingeht. „Gerade nach Corona und angesichts der unruhigen Zeiten brauchen die jungen Leute Orientierung und Entscheidungshilfen. In kurzen Feedbackgesprächen erfahren wir, was sie bewegt. Nur wenn wir Beziehungen aufbauen, können wir auf die Vorstellungen eingehen und sie am Standort halten. Auf zukünftige Azubis gehen wir aktiv über Social Media, in den Schulen und in Praktika zu. Es ist viel aufwendiger geworden Azubis zu finden und zu halten, aber es geht.“
Die komplette Befragung finden Sie hier.